Wie automatisiert KI im Einzelhandel das Mahnwesen?

Wie automatisiert KI im Einzelhandel das Mahnwesen?

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Jeder zehnte Schuldner im deutschen Einzelhandel zahlte seine Rechnung 2023 nicht fristgerecht. Dies geht aus einer Umfrage von Crif hervor, deren Ergebnisse im September 2024 veröffentlicht wurden. Diese Zahlungsverzögerungen stellen für zahlreiche Einzel- und Großhändler in Deutschland eine wachsende Herausforderung dar. Künstliche Intelligenz im Handel modernisiert das herkömmliche, oftmals manuelle Mahnwesen und bietet innovative Lösungen für dieses kritische Problem mit enormen Auswirkungen auf die Liquidität der Händler.

Künstliche Intelligenz im Einzelhandel ermöglicht Unternehmen heutzutage, Mahnprozesse nicht nur autonom zu gestalten, sondern auch zu personalisieren. Statt zeitaufwändiger manueller Mahnungserstellung können Einzelhändler durch KI-gestützte Systeme potenzielle Zahlungsausfälle frühzeitig erkennen und gezielt darauf reagieren. In diesem Artikel zeigen wir, wie modernste KI-Lösungen das Mahnwesen perfektionieren, Kundenbeziehungen stabilisieren und stärken und gleichzeitig betriebliche Ressourcen schonen.

Herausforderungen im traditionellen Mahnwesen des Einzelhandels

Im Einzelhandel beobachten wir in den vergangenen Jahren zunehmende Herausforderungen bei der Zahlungsmoral der Schuldner. So melden Pharmaindustrie und Telekommunikationsbranche durchschnittlich 10,7 Tage Zahlungsverzug, während der Groß- und Einzelhandel im Jahr 2023 mit 9,4 Tagen ebenfalls stark betroffen ist. Die Textilbranche ist trauriger Spitzenreiter. Sie berichten im Schnitt von Zahlungsverzögerungen von bis zu 32 Tagen.

1. Tendenz: steigende Zahlungsausfälle

Viele Einzel- und Großhändler berichten, dass die Zahlungsausfälle aktuell besonders stark zunehmen. Die durchschnittlichen Zahlungsverzugstage hingegen verringern sich, was wir im weiteren Verlauf feststellen werden. Die Häufigkeit der Überschreitung eines Zahlungsziels nimmt jedoch zu. Dies ist an unterschiedliche Faktoren gebunden. Zum einen liegt das an der gesamtwirtschaftlichen Rezession in Deutschland, steigenden Kosten, Corona-Rückzahlungen, die Unternehmen unter Umständen leisten müssen, und/oder Liquiditätsengpässen, von denen immerhin 39% der Einzelhändler berichten, weil sie wiederum von Zahlungsausfällen betroffen sind. Unsere Erfahrungen zeigen, dass übliche Mahnverfahren diese Entwicklung nicht mehr effektiv eindämmen können.

2. Hoher manueller Aufwand bei Mahnprozessen

Der administrative Aufwand für das Mahnwesen belastet die knappen Ressourcen der Unternehmen, wie Arbeitsstunden und technologische Ressourcen (Software), ohnehin stark. Im traditionellen Mahnwesen durchlaufen wir üblicherweise folgende Mahnstufen:

  1. Erste freundliche Zahlungserinnerung,
  2. nachdrückliche zweite Mahnung mit neuem Zahlungsziel und
  3. Finale Mahnung mit Ankündigung rechtlicher Schritte

Diese zeitintensiven manuellen Prozesse binden nicht nur Personal, sondern verursachen auch zusätzliche Kosten durch Print, Porto und Verwaltungsaufwand.

3. Kundenbeziehungen geraten immer mehr unter Druck

Einzel- und Großhändler erachten die Balance zwischen konsequentem Mahnwesen und dem Erhalt positiver Kundenbeziehungen als besonders herausfordernd. Bei neuen A-Kunden sollten Unternehmen sensibler vorgehen, um die junge Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden. Langjährige Partnerschaften sind kontinuierlich gewachsen und sollten einen Mahnprozess je nach Forderungshöhe unbeschadet überstehen. Die Differenzierung der Ansprache je nach Kundenart übernimmt künftig KI. Zahlreiche KI-Anbieter bieten bereits geeignete Lösungen zur individualisierten Kundenansprache an und gestalten den Mahnprozess transparenter und bequemer. Teilweise analysieren die KI-Systeme bis zu 80 verschiedene Merkmale, um zu erkennen, ob ein Kunde zahlungsunfähig ist oder ob er nicht zahlen will.

Die Komplexität wird, wie bereits festgestellt, durch unterschiedliche Kundentypen erhöht – vom Neukunden bis zum etablierten Geschäftspartner benötigen wir individualisierte Mahnvorgänge. Hier sehen wir großes Potenzial für KI-Systeme, die eine persönlichere und effizientere Gestaltung des Mahnprozesses möglich machen.

KI-gestützte Automatisierung des Mahnprozesses

Künstliche Intelligenz ist der Startknopf zur Transformation des Mahnwesens und von vielen weiteren Teilgebieten in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Automatisierte, smarte und digitale Prozesse sind die logische Folge dessen. Auf das Mahnwesen reduziert erkennen wir dabei drei Kernbereiche, die die Effizienz in diesem Bereich erkennbar steigern.

1. Intelligente Kundensegmentierung

Durch KI im Einzelhandel können Unternehmen ihre Kunden präziser kategorisieren, um Kundenbeziehungen nicht zu gefährden. Das genutzte KI-System analysiert automatisch verschiedene Faktoren:

  • Zahlungshistorie,
  • Kaufverhalten und
  • Kundenbeziehungsdauer

Besonders wertvoll ist die Fähigkeit der KI, Kundengruppen nach ihrem Zahlungsverhalten zu clustern und entsprechende Strategien für ein weiteres Vorgehen hieraus abzuleiten. Aus den erhobenen Informationen lassen sich folgende Kundenkategorien bilden:

  • Regelmäßige Zahler
  • Einmalkunde
  • Säumige Zahler
  • Problematische Kunden
  • Langfristige Geschäftspartner

Die angesprochenen abgeleiteten Strategien zur Kontaktaufnahme mit den unterschiedlichen Kunden können je nach Verhalten des Kunden angewendet werden. Mögliche Strategien sind:

  • Personalisierte Kommunikation
  • Multikanal-Kommunikation
  • Early Collection (frühe/rechtzeitige Kontaktaufnahme)
  • Empathische Ansprache

2. Personalisierte Mahnansprache

Als zweiten Kernbereich zur Effizienzoptimierung erachten wir eine maßgeschneiderte individuelle Ansprache des Schuldners. KI-gestützte Kommunikation passt sich individuell an Kundenverhalten und -präferenzen an. Statt standardisierter Mahnschreiben erstellen KI-Systeme personalisierte Nachrichten, die auf den spezifischen Kundenkategorien (s. o.) basieren. Die elementarsten Vorteile einer individuellen Kommunikation im Mahnprozess sind:

  • Eine verbesserte Zahlungsbereitschaft durch maßgeschneiderte Kommunikation,
  • Stärkung der Kundenbeziehung trotz Mahnprozess und
  • Automatische Anpassung von Tonalität und Timing der Mahnung.

Wir beobachten, dass dieser personalisierte Ansatz nicht nur die Zahlungsmoral verbessert, sondern auch die allgemeine Zufriedenheit auf Kundenseite steigert. Der Schuldner ist nachweislich eher bereit, eine Rechnung zu begleichen, wenn man auf seine Präferenzen eingeht. Die automatische Erkennung von Zahlungsmustern ist dabei entscheidend, den richtigen Zeitpunkt (early collection) und Kanal für eine Mahnung zu wählen, was die Erfolgsquote deutlich erhöht. Zu den gängigsten Kanälen gehört:

  • Telefon,
  • E-Mail,
  • Website-Chat,
  • Persönlicher Kontakt oder
  • Messengerdienste

Die Kanäle sollten je nach Kundenverhalten und Kundenkreis variieren.

3. Predictive Analytics für Zahlungsverhalten

Predictive-Analytics-Methoden (vorausschauende Analyse) reformieren die Vorhersagequalität von Zahlungsverhalten aller Schuldner. Einige KI-Systeme analysieren kontinuierlich Datenmuster und können potenzielle Zahlungsausfälle frühzeitig erkennen. Der KI-Assistent „Payment Probability“ ist in der Lage, die Zahlungswahrscheinlichkeit eines Kunden zu bestimmen, und berechnet im gleichen Verfahren das wahrscheinlichste Zahlungseingangsfenster der Forderung. Diese vorausschauende Analyse ermöglicht es Einzel- sowie Großhändlern, proaktiv zu handeln, Zahlungsausfälle zu minimieren und die Liquiditätsplanung effizienter zu gestalten.

Durch maschinelles Lernen (ML) verbessert sich das KI-System selbstständig und kontinuierlich. Bestimmte KI-Systeme sind in der Lage, aus erfolgreich angewendeten und gescheiterten Mahnverfahren Konsequenzen zu ziehen und Ihre Mahnstrategien daran anzupassen.

Implementierung eines KI-Mahnsystems

Während des Implementiervorgangs von künstlicher Intelligenz im Einzelhandel, Großhandel oder anderen Branchen müssen Unternehmen sorgfältig vorgehen. Eine erfolgreiche Implementierung eines KI-Systems erfordert eine durchdachte Strategie und die Erfüllung bestimmter Grundvoraussetzungen.

1. Technische Voraussetzungen

Für die Integration von KI im Mahnwesen benötigen wir eine solide technische Infrastruktur. Sie bildet die erste wichtige Komponente. Die wichtigsten technischen Anforderungen umfassen:

  • Leistungsfähige Serversysteme für Datenverarbeitung,
  • Sichere Cloud-Infrastruktur für Datenspeicherung,
  • Moderne API-Schnittstellen für Systemintegration und
  • Skalierbare Datenbanksysteme.

2. Integration in bestehende Infrastruktur

Das gewünschte KI-System muss sich nahtlos in die bestehende IT-Landschaft einfügen lassen. Besonders wichtig ist eine reibungslose Anbindung an das interne ERP-System (Enterprise Resource Planning) und die Buchhaltungssoftware. Wir legen großen Wert darauf, dass die Integration schrittweise in Form von kleineren Pilotprojekten erfolgt, um den laufenden Geschäftsbetrieb nicht auf einmal umzustellen und so eventuell zu gefährden.

Dabei setzen wir unter anderem auf standardisierte Schnittstellen, die eine einwandfreie Kommunikation zwischen unternehmensinternen Softwaresystemen ermöglichen. Eine Schnittstelle kann man sich der Einfachheit halber als Austauschpunkt von Informationen vorstellen. Diese Schnittstellen ergeben sich aus festgelegten Regularien und definierten Protokollen. Darin ist geregelt, welche Informationen zwischen welchen Systemen in welchem Format wie ausgetauscht werden. OPC (Open Platform Communications) bietet einen solchen Standard an.

3. Datenschutz und Compliance

Bei der Einführung einer KI-Anwendung steht der Datenschutz in Deutschland an oberster Stelle. Speziell im Mahnwesen muss sichergestellt werden, dass alle Kundendaten gemäß DSGVO verarbeitet werden und im Idealfall ausschließlich im unternehmensinternen Rechenzentrum oder innerhalb der deutschen Grenzen verbleiben. Bei Benutzung von KI im Einzelhandel ist besondere Sorgfalt hinsichtlich der Be- und Verarbeitung von Zahlungsinformationen gefragt.

Unsere Compliance-Anforderungen umfassen dabei u. a.:

  • Regelmäßige Kontrollen von Datenverarbeitungsprozessen,
  • Dokumentation aller KI-gestützten Entscheidungen und
  • Implementierung von Zugriffsberechtigungen und -kontrollen.

Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Transparenz der KI-Entscheidungen. Einige Unternehmen stellen sicher, dass alle automatisierten Entscheidungen nachvollziehbar und erklärbar sein müssen. Dies ist nicht nur aus rechtlicher Sicht wichtig, sondern stärkt auch das Vertrauen der Kunden und Mitarbeiter in das neue System. Unser Partner trail-ml bietet hier ideale Möglichkeiten für KI-Governance-Lösungen.

Messbare Erfolge durch KI im Mahnwesen

Die Implementierung von künstlicher Intelligenz im Mahnwesen zeigt bereits beeindruckende Resultate, auf die wir im Folgenden genauer eingehen. Unsere Erfahrungen mit KI-gestützten Systemen belegen deutliche Verbesserungen in sämtlichen relevanten Kennzahlen.

1. Reduzierung der Mahnquote

Durch den gezielten Einsatz von künstlicher Intelligenz im Einzelhandel konnten Testkunden eines deutschen KI-Anbieters ihre Brief-Mahnquote um bis zu 75% reduzieren. Diese signifikante Verbesserung verdanken Unternehmen der intelligenten Automatisierung des Mahnprozesses. Besonders effektiv zeigt sich die KI bei der Optimierung des Mahnzeitpunkts und der Wahl der Kommunikationskanäle.

Die relevantesten Erfolge im Überblick:

  • Verkürzung der durchschnittlichen Zahlungsverzögerungen, zum Vergleich: Im Einzelhandel war laut Creditreform eine Zahlungsverzögerung von 7,33 Tagen im ersten Halbjahr 2024 der Durchschnitt. Im Großhandel waren es sogar 8,44 Tage. 2023 lag der Durchschnitt dieser Branche noch bei 9,4 Tagen.
  • Steigerung der Erfolgsquote bei ersten Mahnungen und
  • Reduzierung der manuellen Mahnprozesse um mehr als 70%.

2. Verbesserung der Kundenbeziehungen

Durch künstliche Intelligenz im Einzelhandel sind wir in der Lage, unsere Kunden sensibler auf das Thema Zahlungsverzug hinzuweisen und erzielen gleichzeitig bessere Resultate. Wir erkennen, dass Schuldner, die über digitale Kanäle angemahnt werden, häufig sogar zufriedener sind als Schuldner, die eine analoge Mahnung per Telefon oder im Dialog erhalten. Dies liegt unter anderem an einer personalisierten Kommunikationsmethode, der Schaffung von Transparenz gegenüber der Forderungssumme und den angebotenen flexiblen Zahlungsoptionen, wie z. B.:

  • Banküberweisung
  • PayPal
  • Ratenzahlung

3. ROI-Analyse

Die Investition in künstliche Intelligenz im Handel sowie in anderen Branchen zahlt sich messbar aus. Die Effizienzsteigerung im Mahnwesen führt zu einer spürbaren Verbesserung der Liquidität derjenigen Unternehmen, die rechtzeitig auf künstliche Intelligenz gesetzt haben. Konkret wird beobachtet:

  • Eine Verringerung der Prozesskosten um 30 % bis 50 % durch Automatisierungspotenziale,
  • Schnellere Zahlungseingänge durch neue Kommunikationsmethoden und
  • Reduzierung des Risikos von kompletten Zahlungsausfällen

Besonders hervorzuheben ist, dass 69% der Einzelhändler nach der Einführung von KI-Systemen Umsatzsteigerungen verzeichnen. Das fand Scayle im August 2024 heraus. In dieser Umfrage wird ebenfalls prognostiziert, dass KI-gestützte Commerce-Lösungen bis 2030 ein Marktvolumen von 16,8 Milliarden Dollar generieren werden.

Fazit

Die Einführung von künstlicher Intelligenz hat das Mahnwesen grundlegend verändert. Unsere Erfahrungen zeigen deutlich, dass KI-basierte Systeme nicht nur Motor zur Steigerung von Effizienz sind, sondern auch die Beziehung zwischen Schuldner und Gläubiger nachhaltig verbessern.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus unseren KI-Implementationen im Forderungsmanagement sind:

  • Deutliche Reduzierung der Mahnquoten und Prozesskosten,
  • Personalisierte Kundenansprache durch Segmentierung,
  • DSGVO-konforme Automatisierung der Mahnprozesse,
  • Messbare Verbesserung der Zahlungsmoral und
  • Stärkung der Kundenbindung trotz Mahnverfahren.

Die Zahlen sprechen für sich: Mit einer Reduzierung der Brief-Mahnquote um bis zu 75% und einer Verkürzung der Zahlungsverzögerungen im Einzel- und Großhandel beweist ein KI-basierter Mahnprozess seine Wirksamkeit. Besonders wertvoll erweist sich dabei die Fähigkeit des Systems, aus erfolgreichen und gleichermaßen gescheiterten Mahnprozessen zu lernen und sich kontinuierlich und selbstständig an neue Gegebenheiten anzupassen.

Diese Entwicklung markiert einen entscheidenden Wendepunkt im modernen Forderungsmanagement des Einzel- und Großhandels. Mit der richtigen Balance zwischen Automatisierung und persönlicher Kommunikation schaffen wir die Grundlage für ein zukunftsfähiges Rechnungswesen.

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